Bericht von Björn
1.3.2016
Was machen Cross Skater im Winter?
Klare Sache: Skifahren, Skirennen fahren, und Skirennen anschauen. Nicht zu vergessen die vielen Stunden, die wir zu diesem Zweck auf verschneiten Strassen verbringen, denn Kanada ist leider ziemlich gross.
(Angesichts der knapp sechs Monate Winter hier in Kanada stellt sich fuer uns uebrigens eher die Frage, was Langlauefer im Sommer machen. Antwort: …aehem, Cross-Skaten?!)
Haupt-Sportereignis diesen Winter war der Ski-Weltcup, der im Maerz mit der ‘Ski-Tour Canada’ in Nordamerika Station machte. Den Beginn der Tour markierten die Sprintrennen in Gatineau/Ottawa am 1. Maerz, gefolgt von Rennen in Montreal, Quebec und schliesslich Canmore (Alberta) in den Rocky Mountains.
Die Chance, die Stars der Szene aus der Naehe zu erleben, wollten wir uns natuerlich nicht entgehen lassen. Canmore, Montreal und Quebec waren etwas zu weit, aber Ottawa/Gatineau schien machbar. Umso besser passte es, dass unser Sohn ein paar Tage zuvor ein Skirennen ca. zwei Autostunden nordoestlich von Toronto hatte. Von da aus waren es nur noch vier Autostunden nach Gatineau - nach kanadischen Massstaeben also ganz in der Naehe!
Gatineau ist eine Stadt auf der Nord- (d.h. Quebec-) Seite des ‘Ottawa river’, direkt gegenueber der Hauptstadt Ottawa (faktisch ist es eher ein Stadtteil von Ottawa). Untergebracht waren wir im offiziellen Wettkampfhotel direkt am Sprintkurs im Jacques Cartier Park, zusammen mit einem Teil der Athleten und Betreuer. Unser Zimmer lag im 8. Stock (direkt ueber den Zimmern des russischen Teams), mit Blick auf den Sprintkurs und die skyline von Ottawa.
Das Hotel. Im Vordergrund: Invild Flugstad Oestberg beim Training am Vortag des Sprintrennens.
Blick vom Hotel auf den Sprintkurs und Panorama von Ottawa
Weil’s so schoen ist, hier nochmal als Panorama-Aufnahme.Ganz rechts das ‘Canadian Museum of History’ am Nordufer des ‘Ottawa river’, in dem die Eroeffnungsveranstaltung stattfand.
Schon bei der Ankunft in Gatineau zeigte sich, dass die Stadt ganz im Zeichen des Skilanglaufes stand. Die einzigen Passanten, die noch auf den Strassen unterwegs waren, schienen Athleten auf dem Weg in ihre Hotels zu sein. Auf dem Hotelparkplatz begegnete uns Maxim Vylegzhanin, als sich die Fahrstuhltuer oeffnete, stiess ich fast mit Justyna Kowalcyk zusammen…. Nach dem Einchecken ging es dann gleich zur Eroeffnungsveranstaltung in das nur einige Fussminuten entfernte ‘Canadian Museum of History’.
Das ‘Canadian Museum of History’ und Blick auf das Parlament in Ottawa.
Nach Dudelsack-Kapelle und einfuehrenden Reden begann endlich der Einmarsch der Athleten.
Natuerlich mit dabei: Die Damen und Herren vom deutschen Zoll.
Die norwegische Nationalmannschaft in ihrem Glanz. Petter Northug hebt sich auch modisch ab.
Das russische Team, gefuehrt von Alexander Legkov.
Stuermisch begruesst vom heimischen Publikum: Die kanadische Nationalmannschaft mit Alex Harvey (4. v.l.), der mit einem 5. Platz in der Gesamtwertung als bester Nordamerikaner aus der Ski-Tour Canada hervorging.
Das finnische Team, mit Kerttu Niskanen, Laura Mononen und Anne Kylloenen.
Leon (noch in Uniform von seinem Skirennen wenige Stunden zuvor) bekommt Autogramme von Therese Johaug und Petter Northug.
Die Superstars waren ganz entspannt; es gab keinen, der den Wunsch nach Autogramm oder Foto abgewiesen haette. Die relative Unbekanntheit der europaeischen Langlaeufer in Nordamerika mag dazu beigetragen haben; die Norweger gaben in Interviews zu verstehen, wie sehr sie es genossen, einmal unerkannt durch die Stadt spazieren zu koennen – ganz anders als beispielsweise in Oslo.
Skilanglauf ist in Kanada ein Nischensport; die Kanadier sind insgesamt sehr auf ihren Nationalsport Eishockey fixiert. Das hat auch seine Vorteile…
Am naechsten Tag, dem Vortag des Rennens, konnten wir dann den Athleten und Technikern bei schoenstem Wetter beim Skitesten zuschauen. Da wurde jeder Abschnitt der Strecke von den Athleten unzaehlige Male abgefahren, von den Technikern Ski und Wachs getestet und verglichen, etc. etc.
Technik, Frequenz und Geschwindigkeit der besten Langflauefer der Welt aus der Naehe zu erleben, war ziemlich beeindruckend und extrem lehrreich – es gab ungefaehr so viele Stilvarianten wie Athleten, wobei die Aestheten unter den Athleten am naechsten Tag nicht unbedingt die schnellsten waren.
Hier tauscht Anders Gloersen (der dann krankheitsbedingt an den weiteren Rennen nicht mehr teilgenommen hat) Ski mit einem Wachstechniker.
Oft von Kamerateams begleitet: Die norwegischen Maenner, mit Martin Sundby (4.v.l.), der die Ski-Tour Canada am Ende fuer sich entschied. Bei den Damen gewann Therese Johaug, ebenfalls nicht voellig ueberraschend. ‘Im Westen nichts Neues’, koennte man sagen…
Maiken Caspersen Falla macht Trainingspause, waehrend Dahria Beatty (kanadisches Nachwuchstalent) von links ins Bild faehrt.
Am naechsten Tag wurde es dann ernst. Bei deutlich kaelteren Temperaturen folgte in straffem Zeitplan ein Rennen auf das andere. Die von verschiedener Seite geauesserte Befuerchtung, die Zuschauer wuerden ausbleiben, bestaetigte sich gluecklicherweise nicht.
Waehrend es beim Training am Vortag fast keine anderen Zuschauer gab, saeumten nun einige Tausend Fans die Sprintstrecke. Das haengt zum einen damit zusammen, dass Ottawa ueber eine rege Langflaufszene verfuegt, mit mehreren Skiclubs in unmittelbarer Stadtnaehe; zum anderen waren viele Zuschauer aus den USA angereist.
Laut war es auch: Die Veranstalter hatten gratis mehrere tausend Glocken verteilt, die besonders heftig zum Einsatz kamen, wenn nordamerikanische Laeufer auf der Strecke waren.
Viertelfinale der Damen: Astrid Jacobsen, Heidi Weng und Vesna Fabjan fliegen vorbei. Fabjan gewann diesen Lauf und qualifizierte sich, zusammen mit der zweitplatzierten Weng, fuer das Halbfinale.
Siegerin bei den Damen wurde am Ende Maiken Caspersen Falla, gefolgt von Stina Nilsson und Jessie Diggins. Bei den Herren setzte sich Sergey Ustiugov gegen Richard Jouve und Simi Hamilton durch. Petter Northug gewann zwar Viertel- und Halbfinale souveraen, brach dann aber im Finale ein (die Rennen kann man uebrigens auf Youtube sehen, wo sie von ‘skiing vinnie’ gepostet werden).
Stina Nilsson und Charlotte Kalla beim Aufwaermen
Hanna Kolb laeuft durchs Bild
Blick hinter die Kulissen: Sergei Ustiugov gibt ein Interview nach seinem Sprintsieg.
Die Sponsorentafel wird dabei nur kurz fuer die Kamera hochgehalten.
Nach dem Finale eilten die Athleten sofort zu den bereitstehenden Bussen, die sie weiter in das ca. 200 km entfernte Montreal brachten, wo es fuer sie schon am naechsten Tag mit den Klassikrennen weiterging.
Hier bekommt Leon noch schnell ein Autogramm von Jessie Diggins, die auch nach den Gatineau Sprints eine super Tour hatte und insgesamt 5. wurde.
Nachdem der Zirkus von Athleten, Betreuern, Technikern, Medienvertretern und Zuschauern abgezogen war, kehrte schlagartig Ruhe ein. Am Abend nutzten dann die lokalen Skiclubs die nun frei zugaengliche Sprintstrecke fuer ihr Training.
Irgendwann zogen auch die ab, und wir konnten im Schein der Stirnlampen alleine bis in die Nacht unsere Runden auf der Weltcup-Strecke drehen. Auf perfekt praepariertem, schnellem Kunstschnee vor der Kulisse von Ottawa zu laufen, war natuerlich ein Erlebnis, und ein schoener Kontrast zu der gefaehrlich vereisten Strecke, auf der unser Sohn einige Tage zuvor seine Rennen gefahren war.
Die Weltcupstrecke war uebrigens technisch nicht sonderlich schwierig (zumindest bei unserem gemuetlichen Tempo nicht), fuer einen Sprintkurs allerdings relativ lang. Schon deshalb verlangte sie den Athleten alles ab.
Ueber Nacht schneite es dann maechtig und wir nutzten am naechsten Tag die Gelegenheit, vor der Rueckfahrt nach Toronto noch etwas in Nakkertok skizulaufen. Nakkertok ist ein lokaler Skiclub ca. 20 min. noerdlich von Ottawa, den auch einige der Weltcup-Teams fuer ihre Vorbereitung genutzt hatten. Die Loipen waren trotz des vielen Neuschnees sehr gut praepariert, aber wir hatten das lange Skilaufen in der Nacht zuvor noch in den Knochen. Nach einer guten Stunde war daher Schluss, und es ging auf die lange Rueckfahrt nach Toronto.
Fazit: Der Weltcup war definitiv ein Saison Hoehepunkt und die ganze Fahrerei wert. Ob es irgendwann wieder eine ‘Ski-Tour Canada’ geben wird, steht leider in den Sternen – schoen waer’s! Fuer die europaeischen Athleten war die Ski Tour Canada am Ende der Saison sicher hammerhart, fuer die nordamerikanischen Fans (und Athleten) aber ein Segen…